Der Mensch und sein langer Aufstieg von der Leibeigenschaft in die Freiheit
Seit dem Tag, dass der Mensch aus der Wildnis aufwachte, hat er über die Frage meditiert, wie man mit Anderen in einer Gesellschaft zusammenleben soll. Was wir heute Gesellschaft nennen, entstand vor mehr als fünftausend Jahren im alten Mesopotamien,1 das Gebiet zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris im heutigen Irak.
Aber abgesehen von schnellen Entwicklungen im Bereich Wissenschaft und Technologie hat sich ziemlich wenig verändert. Wie die alten Sumerer, Akkader und Babylonier verlassen heutige Gesellschaften sich auf Landwirtschaft, Tierproduktion, Kinderunterricht, Städtebau und Wirtschaftsplanung. Mehrere tausend Jahren hat die Aussicht auf Alkohol und Frauen junge Männer verführt, in die Großstadt arbeiten zu kommen,2 wo herrschende Familien entweder ihre Arbeit ausbeuten würden, oder im Fall eines gelegentlichen Männerüberschusses sie wieder in Kriege abzuschieben.
Im Gegensatz zu unserem demokratischen Zeitalter herrschten alte Könige und Pharaonen über ihre Untertanen als ihren Besitz. Herrschende Familien rechtfertigten ihre privilegierten Leben oft durch irgendeine göttliche Abstammung vorzutäuschen. Gilgamesch, Herrscher der sumerischen Stadt Uruk, glaubte, dass er ein Halbgott war.3 König Hammurabi von Babel behauptete, dass Gott ihn ausgewählt hatte, um als „Schäfer der Erlösung“ sein Volk zu regieren.4 Lange bevor das Christentum allen Gläubigen die Himmelstüre öffnete, reservierten die alten Ägypter die Wiedergeburt eines Verstorbenen im Jenseits ausschließlich für Mitglieder wohlhabender Familien.5
In einer Zeit, dass manche gelangweilte ägyptische Könige gerne mit Harems in Netzstrümpfen gekleideter jungfräulicher Mädchen feierten,6 täuschte man normale Menschen, dass sie „mit nur einem einzigen Ziel aus Lehm hergestellt wurden: um die Götter zu dienen durch sie Getränke, Essen und Schutz anzubieten, sodass sie ihre Freizeit mit ihren göttlichen Aktivitäten verbringen konnten.“7
Die Geschichte zeigt, dass regierende Eliten, Oberschichten und weitere selbst-erklärte Adel immer einfach in der Lage waren, um sich zu bereichern durch die Leichtgläubigkeit ihrer Untertanen auszunutzen. Und gleich wie Gilgamesch und Hammurabi praktizieren die reichsten Mitglieder unserer Gesellschaft immer noch diese dunkle Kunst der Selbstvergöttlichung, weil es immer noch Menschen gibt, die es gerne glauben wollen.
Hinter Samt-Absperrungen protzt die Schickeria ihre pharaonischen Persönlichkeiten vor hysterischen Mengen von Normalsterblichen, die auf einen Blick in den Himmel hoffen. Manche amerikanischen Kapitalisten, zum Beispiel, nennen sich job creators, Job-Schöpfer, ein schamloser Versuch, um sich mit Gottes schöpfender Macht zu identifizieren.8
In den letzten Jahrhunderten, aber, hat manches angefangen zu verändern. Eine immer besser ausgebildete und artikulierende Zivilbevölkerung lehnt ihre Knechtschaft an mächtigen Reichen ab. Ein kollektives Selbstbewusstsein hat gewöhnliche Männer und Frauen ergriffen, damit sie sich aus ihrer Leibeigenschaft und Sklaverei befreien. Entkommen aus autokratischer Herrschaft verlangen die demokratischen Völker der Welt ihr faires Teil des Fortschritts und der Wohlfahrt.
Zum ersten Mal in der Geschichte hört man dem Volk zu. Ausgelacht als Bauern, Plebejer, Proletariat, Pöbel, die Massen und die Menge haben Menschen sich inzwischen entweder erfolgreich auf Augenhöhe gesetzt mit denen, die sie für geeignet halten, um sie zu regieren, oder sie sind eifrig damit beschäftigt um diejenigen, die sie nicht geeignet achten, abzusetzen. Als Menschen des modernen Zeitalters erwarten sie, dass man ihre Bedürfnisse befriedigt, dass man ihrer Stimme zuhört, und dass man sie das unveräußerliche Recht auf einem wertvollen und bedeutungsvollen Leben gönnt.
Niemals zuvor haben so viele Menschen die Augen geöffnet für die Wahrheit, dass Könige, Pharaonen und Ayatollahs nie Gottes Gesandten waren, sondern Menschen getrieben von einem Täuschungszwang. Zur Frustration dieser Kaste von Parasiten haben gewöhnliche Menschen ihre Gleichwertigkeit zueinander erkannt und umarmt, während sie die unfaire Verteilung der Wohlfahrt, der Macht und des Status zwischen allen Gruppen von Menschen angefangen haben, abzulehnen.
Seit dem Zweiten Weltkrieg hat eine progressive Bewegung, die darauf zielt, gleichwertige Behandlung und faire Gesetze für alle zu erreichen, deutlich an Fahrt aufgenommen. Diese Bewegung hat schon die eigentliche Bedeutung des Begriffes Gesellschaft verändert. Nicht länger erwarten Menschen, als Schafe für ihre Schäfer zu leben, sondern als freie Individuen für einander.
Aber die progressive Bewegung stellt nur ein Teil der ganzen Geschichte dar. Erst nach der Erfindung des Kapitalismus konnte der Mittelstand die wirtschaftlichen Mittel erwerben, um sich von seinen Sklavenmeistern zu befreien. Nur durch ihre wirtschaftliche Unabhängigkeit konnte der wachsende Mittelstand dann die Armen aus der Armut retten, und die Macht, die herrschenden Klassen über sie ausüben konnte, begrenzen.
Der Übergang von Leibeigenschaft nach Freiheit ist bei weitem noch nicht vollständig gewesen. Sogar in modernen Demokratien bleibt das Volk abhängig von bürokratischen Behörden und Beamten, die vermutlich Tag und Nacht für unsere Interessen arbeiten. Tun sie das wirklich? Und warum kann man sie nicht loswerden? Wegen ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit sind die Mittelstände heute in der richtigen Lage, um die Behörden zugunsten der Selbstverwaltung umzutauschen.
Mithilfe der heutigen Internet- und Kommunikationstechnologien müssten die Mittelstände der Welt schon die Ressourcen besitzen um ihre Behörden zu entkommen. Und wenn das Volk gerade jetzt handelte, dann würde dieser nächste Schritt der Evolution unserer Zivilisation nicht noch mal fünftausend Jahren auf sich warten lassen.
1Yuval Noah Harari, Sapiens: A Brief History of Humankind (Vintage Cookery Books, 2015), Kap. 7: Memory Overload.
2Morris Jastrow und Albert T. Clay, An Old Babylonian Version of the Gilgamesh Epic: On the Basis of Recently Discovered Texts (New Haven: Yale University Press, 1920), 19–20.
3N.K. Sanders, The Epic of Gilgamesh (Assyrian International News Agency, 2016), Kap. Prologue, http://www.aina.org/books/eog/eog.htm.
4Chilperic Edwards, The Hammurabi Code and the Sinaitic Legislation (London: Watts & Co, 1904), 73.
5Samuel A.B. Mercer, The Pyramid Texts (Library of Alexandria, 2013), 2–3.
6W.M. Flinders Petrie, Egyptian Tales: Translated from the Papyri (First Series: IVth to XIIth Dynasty), 2. Aufl. (London: Methuen & Co, 1899), 17, https://archive.org/details/egyptiantalestr00elligoog.
7Diane Wolkstein und Samuel Noah Kramer, Inanna, Queen of Heaven and Earth: Her Stories and Hymns from Sumer, 1. Aufl. (New York: Harper & Row, 1983), 123, https://archive.org/details/input-compressed-2015mar28a29.
8Evan Horowitz, „Trump vows to be “greatest jobs producer that God ever created” - The Boston Globe“, BostonGlobe.com, zugegriffen 25. Januar 2017, https://www.bostonglobe.com/business/2017/01/11/trump-vows-greatest-jobs-producer-that-god-ever-created/JRCHmS7Vfe9zVnvacwXnPN/story.html.
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